LANDURLAUB BRANDENBURG 2021
LANDURLAUB BRANDENBURG 21 KULTURSCHÄTZE ancher, der zwischen Lübbenau und Vetschau unterwegs ist, wird sich schon gefragt haben, was das für ein merk- würdiger Bau ist, der plötzlich rechts von der Autobahn auftaucht: Kreisrund steht er einsam und verlassen auf einer riesigen Freifläche. Wann er entstanden ist, lässt sich an der schlichten, zeitlosen Form ebensowenig ab- lesenwie seine Bestimmung. Jedenfallswürde man nicht unbedingt auf die Idee kommen, dass es eine Burg ist, wie sie Slawenvor rund 1200 Jahren gebaut haben. Warum sie so ganz anders aussieht als spätere Ritter- burgen mit Türmen, Wehrgängen und Schießscharten, erschließt sich, wenn man den Ringwall betritt. In den sieben Meter hohenWällen lädt eine Ausstellung zur Zeitreise durch die bewegte Geschichte der Lausitz ein. Anhand von Relikten der Neandertaler oder einer römi- schen Münze kann man sehen, dass die Region schon immer ein Durchgangslandwar, wo Menschen aus den verschiedensten Richtungen kamen und gingen. Unter ihnen dieWestslawen, die lange vor den Sorben in die Lausitz einwanderten und hier tiefe Spuren hinterlassen haben. Mehr als tausend Jahre bevor der Braunkohle tagebau die Landschaft zerfurchte, siedelten sie sich aus Polen, der Ukraine und dem Balkan kommend an, aus den unterschiedlichen Gruppen bildete sich der Stamm der Lusici heraus. Dochwarum gerade hier? „Die Germanen hatten hier ein leeres Gebiet hinterlas- sen. Siewaren nach einer ökologischen Katastrophe ab- gewandert“, erklärt Jens Lipsdorf, maßgeblicher Kurator der Ausstellung der Slawenburg. Offensichtlich hatten sie mit der Monokultur von Korn die Böden ausgelaugt und sich damit selbst die Lebensgrundlage entzogen, sodass sieweiter nachWesten zogen. Die Slawen, die sich hier ansiedelten, sollen anders als ihre Vorgänger Viehzucht und Ackerbau mit sehr viel mehr Vielfalt be- trieben, neben Getreide auch Obst und Gemüse angebaut und sich allerlei Haustiere gehalten haben. Mit der Zeit bildeten sich dörfliche Gemeinschaften heraus. Die Burg diente ihnen dabei als Speicherort, aber auch als Schutz- raum und zu Kultzwecken. Eins der Stücke, auf das die Ausstellungsmacher besonders stolz sind, ist der soge- nannte „Götze von Raddusch“, ein Kultobjekt aus Holz, in demman mit einiger Fantasie eine menschenähnliche Figur erkennen kann. „Eswurde in einem Brunnen, dem größten auf westslawischen Gebiet, gefunden und gibt Aufschluss auf die Religion der Lusici“, weiß Lipsdorf zu berichten. „Neben dem Kult um dasweiße Pferd haben sie Fluss-, Wasser- und andere Naturgötter verehrt, und zwar mit einer gewissen Hierarchie, diewiederum auf eine strukturierte hierarchische Gesellschaft schließen lässt.“ Als studierter Archäologe hat der Ausstellungsmacher selbst zwischen 1998 und 2002 an Ausgrabungen imGe- biet des stillgelegten Tagebaus Jänschwalde mitgewirkt. Dass überhaupt Forscher auf das Gebiet aufmerksam wurden, ist Rudolf Virchow zu verdanken. Als einer der letzten großen Universalgelehrten hat der berühmte Arzt nicht nur dafür gesorgt, dass die Archäologie als M Rundum-Schutz: Die Burg der Lusici besaß keine Ecken. Das machte es für Feinde schwer, die Mauern zu überwinden Fundstück: Der „Götze von Raddusch“ gibt Aufschluss über die gesellschaftliche Ordnung, Kultur und Religion der Slawen u Fotos: Peter Becker, Adonbe Stock/MoreVector, fotoak80
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